Es steht zwar in vielen Büchern so, aber John Boyd Dunlop ist nicht der Erfinder des Luftreifens. Tatsächlich wurde diese Erfindung schon 43 Jahre zuvor von seinem schottischen Landsmann Robert William Thomson gemacht.
1845 läßt sich der Engländer Robert William Thomson einen luftbefüllten Wagenreifen patentieren und zwar für Großbritannien, Frankreich und die USA. das Innenleben dieses Reifens bestand — empfindliche Naturen bitte ab dem nächsten Absatz weiterlesen — aus aufgeblasenen Tierdärmen, die als Verschleißschutz mit Leder überzogen waren. Später verwendete er dann Gummischläuche. In beiden Fällen diente eine Lederdecke als Verschleißschutz. Diese Decke war fest mit dem Wagenrad verbunden.
Mit seiner Erfindung konnte jedoch niemand etwas anfangen. Wohl deshalb, weil die Entwicklung des Fahrrads noch in den Kinderschuhen steckte und erst beim Fahrrad die gewaltigen Vorteile einer luftbefüllten Bereifung deutlich wurden. Autos gab es noch keine und die Kutscher von damals hätten sich mit einer Luftbereifung a la Thomson weit mehr Nachteile als Vorteile gegenüber ihren eisenbereiften Wagenrädern eingehandelt.
1888 erfand der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop den luftbefüllten Reifen dann noch einmal. Erstes Fahrzeug auf Dunlop-Reifen war das Dreirad seines Sohnes. Es ist anzunehmen, daß Dunlop das Thompson’sche Patent von 1845 nicht kannte. Jedenfalls kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen über das Patent, bei denen Dunlop sich durchsetzen konnte, weil er wesentliche Unterschiede und Verbesserungen gegenüber dem Patent von Thompson nachweisen konnte. Auch Dunlop’s Konstruktion bestand allerdings aus einem Gummischlauch, der an den Enden zusammengefügt war und einer Decke als Verschleißschutz, die mit dem Holzrad zu einer festen Einheit verbunden war. Der Dunlop’sche Luftschlauch verfügte allerdings schon über ein Ventil. Dieses bestand übrigens aus einem modifizierten Kinderschnuller und war eines der wesentlichen Unterschiede zum luftbereiften Rad von Thompson.
1890 erfanden die Gebrüder Michelin dann den vom Rad abnehmbaren, luftbefüllten Reifen. Damit war das Konstruktionsprinzip geboren, das bis zum heutigen Tag Gültigkeit hat. Die Vorteile für die damaligen Fahrräder und das eben aus der Taufe gehobene Automobil waren gewaltig. Außerdem bewarb Michelin die Erfindung des abnehmbaren, luftbefüllten (pneumatischen) Reifens auf geniale Weise. Diese Bewerbung dürfte auch der Grund dafür sein, daß sich im französichen Sprachraum „Pneumatique“ und mit der Zeit die Kurzform „Pneu“ als allgemein gebräuchliche Bezeichnung für dieses Produkt einbürgerte. Auch im deutschen Sprachraum waren diese Vokabeln bis in die 1920er Jahre die allgemein übliche Bezeichnung.